Anfang des Jahres stand ich vor einer wichtigen Entscheidung. Sollte ich das OMR Festival oder doch lieber den WebSummit besuchen? Sich kontinuierlich weiterzubilden ist essenziell, doch welches der beiden Mega-Events kann mehr Wissen bieten? 

Der WebSummit lockte vor allem mit großen Marken (bspw. Google, Meta & Co.), spannenden Speaker:innen (u.a. Signal-Chefin Meredith Whittaker, Wikipedia-Co-Founder Jimmy Wales und Box-Legende Wladimir Klitschko), sowie zahlreichen Pitch-Möglichkeiten für Tech-Start-ups aus aller Welt. Nebenbei ist auch der Veranstaltungsort im sonnigen Lissabon, um einiges attraktiver als das verregnete Hamburg. Die Entscheidung war also gefallen.

Mit 70.000 anderen Tech-Verrückten und Zukunfts-Fans reiste ich am 13. November 2023 nach Lissabon, Portugal, um mir selbst einen Eindruck von dieser global anerkannten und beliebten Tech-Mega-Konferenz zu machen. Wurden meine Erwartungen enttäuscht oder vielleicht sogar übertroffen? Bereue ich meine Entscheidung? Das erfährst du in diesem Artikel.

victoria steht vor dem web summit sign
Der Fokus liegt auf web-summit

Fangen wir von vorne an. Die irische Firma WebSummit veranstaltet jährlich mehrere Konferenzen rund um den Globus in Städten wie Hong Kong, Rio de Janeiro, Qatar und eben auch Lissabon. Anzumerken ist, dass die größte Veranstaltung mit 70.236 Besucher:innen der WebSummit von 13. bis 16. November auf dem Messe-Gelände der Altice Arena in Lissabon ist. 

Background und Vorbereitung

Dieses Jahr wurden die umfangreichen Marketing-Maßnahmen rund um den WebSummit kurz vor dem Event von einem Skandal überschattet. Paddy Cosgrave, Gründer und ehemaliger CEO des WebSummit Unternehmens wurde aufgrund eines Tweets zu dem Konflikt im Gaza-Streifen stark kritisiert, was schließlich zur Absage einiger der wichtigsten Unternehmen, wie etwa Google, Meta und Amazon führte und schließlich auch zu seinem Rücktritt. Gleichzeitig gab es auch politische Unruhen innerhalb Portugals, denn auch Portugals Premierminister trat kurz vor Beginn des Großevents zurück.

Auch wenn einige Ticket-Besitzer:innen vorab ankündigten ebenfalls das Event zu boykottieren, war die Gesamtanzahl der Besucher:innen trotz aller Vorkommnisse vergleichbar mit den Zahlen des Vorjahres.

Vor der Anreise zum WebSummit ist es jedenfalls essenziell, sich die WebSummit App herunterzuladen (wird auch für die Registrierung benötigt), in der man sich einen individuellen Plan zusammenstellen kann, sowie eine Übersicht über alle Teilnehmer:innen erhält. Diese können etwa nach Rolle, Sparte oder Standort gefiltert werden und man kann sich bereits vorab mit anderen Teilnehmer:innen vernetzen und / oder Meetings vereinbaren. Außerdem bietet die App eine Chat-Funktion, eine Venue-Map, Perks und Aufzeichnungen von Vorträgen bei den größten Stages.

Spannend! In der offiziellen WebSummit App wird auf die App LiveVoice verlinkt, welches es Nutzer:innen ermöglicht, Vorträge bei Silent Stages über Kopfhörer und / oder in der eigenen Muttersprache zu hören. Die Idee dazu stammt von Johannes Wigand, der das Start-up 2019 in Wien gründete.

Das Programm

Bereits am Wochenende vor dem offiziellen Start des WebSummits war es möglich, sich beim Messegelände oder bei eigens dafür eingerichteten Terminals am Flughafen zu registrieren. Die Registrierung erfolgte an mehreren Schaltern, je nach Ticketkategorie und verlief reibungslos ohne lange Wartezeiten.

Jede:r Besucher:in bekam ein Armband und einen Ausweis, der um den Hals getragen werden muss und neben dem Namen auch das Unternehmen, so wie die Ticketkategorie enthält. Mein Ticket fiel in die Kategorie „Women in Tech“, da ich das Ticket im Zuge einer 1+1 Aktion Anfang des Jahres zum Aktionspreis von nur 75 € gekauft habe. Die Ticketpreise variieren allerdings stark. Das Standardticket kostet 950 €, als Start-up ist man mit ca. 450 € - 4.500 € dabei und wenn man einen regulären Booth mieten möchte, steigen die Kosten auch gerne mal auf über 10.000 €. Meine Empfehlung an dieser Stelle ist klar die Augen nach Aktionen offen zu halten und diese zu nutzen.

Zurück zum Kongress-Ablauf. Am Montag fand nachmittags die Eröffnungszeremonie durch den WebSummit CEO Katherine Maher statt, gefolgt vom ersten Night Summit des Kongress. Der Night Summit ist eine Art After-Party, die von Montag bis Mittwoch abends an verschiedenen prominenten Locations in Lissabon stattfand. Dort gibt es verschiedene DJ-Sets, Drinks und natürlich Netzwerk-Möglichkeiten. Das alles weiß ich allerdings nur von anderen Teilnehmer:innen, da ich es selbst nach dem Tag am WebSummit nie zu einem Night Summit geschafft habe.

Der erste richtige Konferenztag war also der Dienstag, an dem von 10:00 Uhr bis circa 16:00 Uhr durchgehend Talks, Events, Pitches und Masterclasses stattfanden. Relativ ähnlich verliefen auch der Mittwoch und Donnerstag, wobei die Start-up-Stände jeden Tag wechselten, sodass selbst Besucher:innen, die nur an Start-ups interessiert sind, jeden Tag die Möglichkeit hatten, weitere neue Unternehmen zu entdecken.

Am Dienstag und Mittwoch waren definitiv mehr Besucher:innen vor Ort als am Donnerstag, da viele den letzten Tag bereits wieder für die Abreise nutzten.

Eventorganisation

Als Eventmanagerin waren für mich natürlich nicht nur die Inhalte, sondern auch der gesamte Ablauf und die Organisation rund um die einzelnen Stages und Happenings interessant und hier muss ein großes Lob ausgesprochen werden. Trotz der Menge an Besucher:innen verliefen die Security-Checks an den drei großen Eingängen sehr schnell (max. Wartezeit um 10:00 Uhr waren 20 Minuten). Alle Volunteers waren sehr freundlich und hilfsbereit und die Beschilderung vor Ort war großartig. 

Es gab mindestens 50 Foodtrucks, die den Besucher:innen zur Mittagszeit zur Verfügung standen mit zahlreichen Auswahlmöglichkeiten von veganen Burgern, über traditionell portugiesische Spezialitäten bis hin zu Bier und Wein. Die Wartezeiten hier und an den Toiletten konnten gut und gerne auch mal 30 Minuten betragen, wobei mich persönlich dies nicht störte, da auch hier die Möglichkeit des Netzwerkens mit anderen Wartenden gerne genutzt wurde.

Ein besonderes Plus waren die Caféautomaten, an denen kostenlos Kaffee bestellt werden konnte, sowie die zahlreichen Wasser-Fontänen.

 Die Inhalte: Talks und Masterclasses

Wenn man sich einmal durch den Schedule klickt, wird eines klar: Es ist nicht möglich, jeden Vortrag zu besuchen. Auf 16 Bühnen, in zahlreichen Lounges, Nebenräumen, Roundtables, an Ständen und auf Showcases finden den ganzen Tag über durchgehend Vorträge statt. Es gilt also vorab die Themen gut durchzuschauen und sich so seinen individuellen Schedule zusammenzustellen.

Dabei sollte man vor allem nicht außer Acht lassen, dass die Wege zwischen den Stages und Hallen erheblich sind. Will man beispielsweise von einem Ende des Geländes zum anderen, sollte man mindestens 20 Minuten Wegzeit einrechnen.

Hier ist eine Auswahl der Talks für die ich mich entschieden habe:

  • Opening Night: A celebration of Portugal (Katherine Maher - CEO WebSummit, Jimmy Wales – Gründer Wikipedia, Carlos Moedas – Bürgermeister von Lissabon etc.)
  • 5 reasons why OOH will boost your business (JCDecaux)
  • Portugal Ventures (Austria booth)
  • Mastering the gamification of content (Devo Harris - Adventr)
  • Start-up Showcase Day 2 (multiple pitches)
  • Why podcasts are here to stay (Simon Morris – Novel, Stefano Fallaha – Podeo)
  • Julian Assange: WikiLekas, truth and injustice (Stella Assange)
  • Integrating your brand in games (Kasper Weber – Beyond Creative, Christian Facey – AudioMob, Elle Osili-Wood – Playwell Ventures)

Wobei viele dieser Talks eigentlich gar nicht auf meiner Liste standen, ich aber aufgrund des Vortrags davor oder danach bei der Stage geblieben bin. Dafür habe ich wiederum einige Vorträge nicht gehört, die aufgrund der räumlichen Distanz nicht zu erreichen waren. Glücklicherweise gibt es in der App die Möglichkeit, sich Aufzeichnungen von fast allen Vorträgen auch im Nachhinein noch anzusehen.

Meine Erwartungen an die Inhalte der Vorträge waren sehr hoch, da sie auch der Hauptgrund meiner Reise waren. Hier muss ich leider sagen, dass meine Erwartungen nicht erfüllt wurden und sich die Mehrheit der Key Notes sehr oberflächlich mit den Themen beschäftigt hat. 

Vorab wird der WebSummit als DIE Konferenz vermarktet, auf der die wichtigsten Trends für das darauffolgende Jahr diskutiert werden sollen. Beispielsweise von dem Talk „5 reasons why OOH will boost your business“ hätte ich mir daher mehr erwartet, als die klassischen Gründe, die man als mehr oder weniger Marketing-affine Person ohnehin schon kennt (Messbarkeit, Ansprache des Zielpublikums etc.)

Es gab aber auch Ausnahmen. Beispielsweise die Präsentation von Devo Harris (Adventr) erntete riesigen Applaus. Anstatt eine öde Präsentation über die Gamifizierung von Content zu halten, ließ Harris das Publikum Engagement erleben. Es wurde ein Kurzfilm abgespielt bei dem die Zuseher:innen mittels QR-Code selbst über die Handlung entscheiden konnten. Sofort wurde für alle erlebbar, welchen nachhaltigen Impact diese Art einer Präsentation auf die Zielgruppe haben konnte. 

Als Audio-Marketing-Liebhaberin hat mir speziell auch die Key Note zum Thema „Integrating your brand in games“ begeistert. Hier wurden neue Möglichkeiten aufgezeigt, wie Marken sich natürlich und spielerisch in digitale Welten einbringen können, um dort die Generation Alpha frühzeitig zu erreichen und zu begeistern. Der Vortrag löste bei mir eine Reihe weiterer Ideen aus, die ich gerne auch in Zukunft weiter besprechen möchte (wer sich für das Thema Audio-Marketing ebenfalls begeistern kann, kann sich gerne bei mir melden 😉).

Für den Besuch von Masterclasses reichte meine Zeit leider nicht aus, allerdings wurde mir von anderen Teilnehmer:innen zugetragen, dass diese wohl etwas tiefer in die Materie eintauchen. Das Problem daran ist allerdings, dass die Masterclasses nur eine sehr beschränkte Besucheranzahl annehmen und die Wartezeiten dafür sehr lange sind, wodurch man automatisch wieder einige andere Talks verpasst.

Mein Tipp für dich: Jetzt, wo ich allerdings weiß, dass der Großteil der Key Notes ohnehin im Nachhinein on demand verfügbar ist, würde ich vermutlich Masterclasses vor Ort priorisieren. 

Abschließend bleibt auch hier noch anzumerken, dass die Qualität der Talks bzw. der Key Note Speaker:innen offensichtlich auch aufgrund des vorangegangenen Skandals gelitten zu haben scheint. WebSummit-Wiederholungstäter:innen haben mir berichtet, dass die Key Notes der Vorjahre wohl thematisch innovativer gewesen sein sollen.

Start-ups & Pitches

Viele Start-up Gründer:innen nutzen den WebSummit, um die Bekanntheit ihrer Lösung zu steigern und den oder die eine:n oder andere:n Investor:in für sich zu gewinnen. Um dies zu ermöglichen, gab es im Programm des WebSummits einige Pitching-Events bei denen sich die Start-ups auf der Bühne beweisen konnten. 

Schlussendlich gewann den Pitch-Contest das brasilianische Start-up Inspira, welches mit seiner Legal Tech Lösung zur Demokratisierung von Rechtstexten und Informationen beitragen möchte. Gesamt haben 2.608 Start-ups und 1.180 Investor:innen am WebSummit teilgenommen – eine gute Quote also für Gründer:innen. 

Neben der Möglichkeit zu Pitchen konnten sich Start-ups auch in Spotlight Sessions auf der Bühne innerhalb von 2 Minuten vorstellen und selbst auch jeweils einen eigenen Booth betreuen. Diese Stände waren während der gesamten Eventdauer immer gut besucht. Vor Ort haben mir die Gründer:innen berichtet, dass vor allem auch der Night Summit sehr nützlich war, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Gut organisierte Start-ups nutzten auch die Möglichkeit sich mit Leuten in der App zu vernetzen und so vorab Meetings zu planen.

Österreich am WebSummit, Networking und Side-Events

Neben dem offiziellen Programm gab es während des WebSummits zahlreiche Nebenveranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen. Beispielsweise lud Advantage Austria (Außenwirtschaft Österreich in Portugal) am Dienstag-Abend zum Event nahe der Altice Arena ein. Dafür wurde ein Ticket benötigt und Besucher:innen mussten sich teilweise bis zu 60 Minuten anstellen. Bei diesem Event stellte die Außenwirtschaft ihre Innovation Roadmap vor und die Breakdance-Gruppe Lisbon Breakers trat auf. 

Gesamt waren ca. 500 Österreicher:innern (darunter auch einige Start-ups) am WebSummit vertreten. Der Stand der österreichischen Außenwirtschaft, sowie die eigens dafür gegründete Whatsapp-Gruppe diente für viele österreichische Teilnehmer:innen zur Vernetzung. Es fanden mehrere Mini-Events bspw. der BOLD Community in der Gondel auf dem Österreich-Stand statt und am letzten Tag konnten Teilnehmer:innen sogar selbst die Reifen eines F1-Wagens wechseln. 

Auch wenn es im ersten Moment komisch klingt extra nach Portugal zu reisen, um sich dort mit Österreicher:innen auszutauschen, fand ich dies doch sehr sinnvoll. Schließlich lernt man hier die Unternehmer:innen kennen, die sich wirklich für Innovation begeistern und die Grenzen des Möglichen ständig testen. Der Austausch ist daher sehr bereichernd und man konnte den einen oder anderen sehr nützlichen Kontakt knüpfen.

Was das WebSummit so zeigt
WebSummit 23. Impression

Zeit für ein Resümee

Der WebSummit ist eine ganz besondere Erfahrung, die ich nicht missen hätte wollen. Um meine Frage vom Anfang also klar zu beantworten: Nein, ich bereue es nicht, dabei gewesen zu sein. Vor allem in Anbetracht des sehr günstigen Aktion-Tickets hat sich die Reise auf jeden Fall ausgezahlt – sowohl inhaltlich, als auch in Bezug auf die Ausweitung des Netzwerks.

Die Teilnahme an einer Mega-Konferenz, wie dieser, bei der man auch abseits des Event-Geländes ständig andere Teilnehmer:innen trifft (erkennbar aufgrund des Armbands) ist etwas ganz Besonderes. Der Austausch mit brillanten Menschen aus aller Welt ist bereichernd und inspirierend und hat mir auch neben vielen Ideen, eine ordentliche Portion Motivation mitgegeben.

Derzeit bin ich noch unentschlossen, ob ich nächstes Jahr wieder die Reise nach Portugal auf mich nehmen werde oder doch lieber mal das OMR-Festival austesten sollte. Eines habe ich aber auf jeden Fall gelernt: Für die Teilnahme an so einer Konferenz sollte man sich vorab gut über alle Vorträge und Teilnehmer:innen informieren und ein bisschen Zeit in die Planung jeden Tags investieren. Außerdem sollte man versuchen sich den Kalender, so gut es geht, freizuschaufeln, um nicht zusätzlich noch parallel mit anderen Daily-Business-Tasks beschäftigt zu sein (auch wenn dies aufgrund der großflächigen Co-Working-Zonen sehr gut machbar war). 

Ich hoffe, meine Einblicke waren spannend für dich. Warst du am WebSummit? Hast du noch weitere Fragen oder möchtest dich einfach nur austauschen? Dann melde dich bei mir oder hinterlasse uns einen Kommentar. Wir sind gespannt!

Alle Bilder: copyright Victoria Hufnagl

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