Der Wandel der Bildschirmzeit

Die Art und Weise, wie wir Unterhaltung konsumieren, hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Während das traditionelle Live-Fernsehen einst der unangefochtene Herrscher der Wohnzimmer war, stehen wir nun an der Schwelle einer neuen Ära, in der Streaming-Dienste wie Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ die Art, wie wir Filme, Serien und selbst Nachrichten konsumieren, neu definieren. Diese Entwicklung hat nicht nur Einfluss auf unsere Freizeitgestaltung, sondern auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Industrie selbst, auf die Kultur und sogar auf die Demokratie.

Mit der Einführung von Streaming-Diensten wurde der Zugang zu einer nahezu unbegrenzten Vielfalt von Inhalten rund um die Uhr möglich. Die Zuschauer sind nicht mehr an feste Sendezeiten gebunden, sondern können selbst entscheiden, wann, wo und was sie sehen möchten. Diese Flexibilität hat eine Flutwelle an Individualität und Bequemlichkeit in unserem Medienkonsum ausgelöst.

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In der EU gibt es rechtliche Entwicklungen im Zusammenhang mit den laufenden Erhöhungen der Abopreise von Streaming-Diensten wie Netflix. Gerichtsurteile haben Preiserhöhungen für ungültig erklärt und festgestellt, dass Klauseln, die Preisänderungen in den Verträgen dieser Streaming-Dienste erlauben, ungültig sind. Diese Dienste können die Preise nicht einseitig ohne Zustimmung der Kunden erhöhen. Kunden könnten daher Anspruch auf Rückerstattungen haben. Diese Urteile haben Auswirkungen auf die zukünftige Preisgestaltung dieser Streaming-Dienste.
https://www.test.de/Netflix-Preiserhoehungen-rechtswidrig-Gebuehren-zurueckfordern-5855602-0/

Während Streaming-Dienste weiterhin ihre Bibliotheken erweitern und personalisierte Empfehlungen anhand von Algorithmen anbieten, stehen traditionelle Fernsehsender vor der Herausforderung, relevant zu bleiben. Sie müssen sich an ein Publikum anpassen, das immer weniger gewillt ist, sich nach festen Programmstrukturen zu richten. Das Live-TV muss innovative Wege finden, um das Publikum zu binden – sei es durch exklusive Inhalte, Live-Events oder interaktive Programme.

The rise of Netflix

Netflix, einst eine einfache DVD-Verleihfirma, hat sich zu einem globalen Schwergewicht im Streaming-Bereich entwickelt und bietet eine beispiellose Bibliothek von Filmen, Serien und Dokumentationen, die auf Knopfdruck verfügbar sind. Mit seiner Fähigkeit, personalisierte Empfehlungen zu geben und neue Inhalte auf Basis des Nutzerverhaltens zu produzieren, hat Netflix die Unterhaltungsindustrie revolutioniert und die Erwartungen der Zuschauer neu definiert.

Im Gegensatz dazu steht in Österreich der ORF, der als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in Österreich die Aufgabe hat, nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu informieren und zu bilden. Mit seinem Anspruch, qualitativ hochwertige Inhalte zu liefern, die die kulturelle Identität Österreichs widerspiegeln, steht der ORF für eine langjährige Tradition des Rundfunks, die auf regionaler Verankerung und gesellschaftlichem Auftrag basiert.

Der Wettstreit zwischen diesen beiden Unterhaltungsriesen spiegelt die sich wandelnde Natur des Fernsehkonsums wider. Während Netflix mit seinem On-Demand-Service und seiner globalen Reichweite die Zuschauer in seinen Bann zieht, setzt der ORF auf sein vertrauenswürdiges Image und sein Engagement für lokale Inhalte. Die Frage, die sich dabei stellt, ist, wie sich beide behaupten können in einer zunehmend digitalisierten Welt, in der die Grenzen zwischen Online- und traditionellem Fernsehen verschwimmen.

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Eine Serie in einem Schwung sehen: Binge watching

Die Geschäftsmodelle im Vergleich

Die Wettbewerbslandschaft im Bereich der Unterhaltungsmedien ist durch unterschiedliche Geschäftsmodelle geprägt, wobei Netflix und der ORF zwei Seiten derselben Medaille repräsentieren. Netflix finanziert sich hauptsächlich über Abonnements, die Nutzern unbegrenzten Zugang zu einem umfangreichen Katalog an Filmen, Serien und Eigenproduktionen gewähren. Diese Abonnementgebühren stellen die Haupteinnahmequelle dar und ermöglichen es Netflix, kontinuierlich in die Erweiterung seiner Inhaltsbibliothek und in die Produktion exklusiver Originalinhalte zu investieren. Der Fokus liegt dabei auf der Schaffung global ansprechender Inhalte, wodurch die Plattform ein breites internationales Publikum erreicht.

Im Gegensatz dazu basiert das Geschäftsmodell des ORF auf einer Mischfinanzierung aus Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen. Die Rundfunkgebühren, die von allen Haushalten in Österreich gezahlt werden, sichern die Grundfinanzierung und gewährleisten somit den öffentlichen Auftrag des ORF: die Bereitstellung von Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung. Werbeeinnahmen ergänzen diese Finanzierung und erlauben es dem ORF, zusätzliche Angebote zu schaffen. Der ORF konzentriert sich in seiner Inhaltsstrategie auf die Bedürfnisse des österreichischen Marktes und produziert neben internationalen Formaten auch regionale Inhalte, die die österreichische Kultur und Identität widerspiegeln.

Die Zielgruppen beider Anbieter sind ebenso unterschiedlich wie ihre Geschäftsmodelle. Während Netflix vor allem jüngere Zuschauer anspricht, die Wert auf Flexibilität, On-Demand-Verfügbarkeit und eine breite Auswahl an Genres legen, richtet sich der ORF an eine breit gefächerte österreichische Öffentlichkeit und legt Wert auf qualitativ hochwertige Inhalte, die generationsübergreifend ansprechen sollen.

Streaming macht auch einsam
Binge Watching - alleine und mit Pocorn

In der Praxis bedeutet dies, dass Netflix durch seine internationale Ausrichtung und sein Abonnementmodell eine stetig wachsende globale Nutzerbasis generieren kann, die von der ständigen Verfügbarkeit neuer Inhalte profitiert. Der ORF hingegen muss sich in seinem Programm sowohl an den Interessen der österreichischen Bevölkerung als auch an seinem Bildungs- und Informationsauftrag orientieren, was ein differenzierteres und potenziell weniger wettbewerbsorientiertes Angebot zur Folge hat.

Kultur und lokale Verankerung

Die Rolle von Kultur und lokaler Verankerung ist ein entscheidender Aspekt, der den ORF von global agierenden Streaming-Diensten wie Netflix unterscheidet. Der ORF ist tief in der österreichischen Kultur und Gesellschaft verwurzelt und sieht es als seine Aufgabe an, die kulturelle Identität des Landes zu bewahren und zu fördern. Mit einer Vielzahl an regionalen Programmen, Nachrichtensendungen und Dokumentationen, die spezifisch auf die Bedürfnisse und Interessen der österreichischen Bevölkerung zugeschnitten sind, trägt der ORF zur kulturellen Vielfalt und zum demokratischen Diskurs bei. Diese lokale Verankerung ermöglicht es dem ORF auch, auf gesellschaftliche Veränderungen und lokale Ereignisse schnell und angemessen zu reagieren, was eine wichtige Säule seines öffentlichen Auftrags darstellt.

Netflix hingegen verfolgt eine globalisierte Strategie, die darauf abzielt, ein möglichst breites internationales Publikum zu erreichen. Durch die Produktion von international erfolgreichen Serien und Filmen, die weltweit verfügbar sind, wird eine universelle Ansprache angestrebt, die kulturelle und regionale Grenzen überwindet. Allerdings hat Netflix in den letzten Jahren auch begonnen, lokale Produktionen in verschiedenen Ländern zu finanzieren, um auf die kulturelle Vielfalt und die spezifischen Geschmäcker der lokalen Märkte einzugehen. Diese lokalen Originals sind ein Zeichen dafür, dass auch Netflix die Bedeutung von kultureller Relevanz und lokaler Anbindung erkannt hat und versucht, sowohl globale als auch lokale Inhalte anzubieten.

Die unterschiedlichen Herangehensweisen von Netflix und ORF in Bezug auf Kultur und lokale Produktion zeigen die Spannung zwischen globaler Reichweite und regionaler Bedeutung auf. Während Netflix durch seine Flexibilität und Innovationskraft neue Maßstäbe im Bereich der Unterhaltung setzt, bleibt der ORF ein unverzichtbarer Teil der österreichischen Kulturlandschaft, der die lokale Identität und Werte pflegt und zugleich universelle Themen aufgreift. Es ist eine Gratwanderung zwischen der Bewahrung regionaler Eigenheiten und der Anpassung an globale Trends, die beide Anbieter in ihrer Content-Strategie meistern müssen.

Demokratie und Medien: Neue Herausforderungen

Die Verlagerung des Medienkonsums von Live-TV zu Streaming-Diensten hat nicht nur unsere Unterhaltungsgewohnheiten verändert, sondern wirft auch neue Fragen hinsichtlich der politischen Informationsvermittlung und Partizipation auf. Das Live-Fernsehen war lange ein zentraler Bestandteil des öffentlichen Diskurses, indem es eine Plattform für Nachrichtensendungen und politische Debatten bot. Es trug dazu bei, eine informierte Wählerschaft zu schaffen und war ein wichtiger Akteur in der Demokratie.

Mit dem Aufstieg der Streaming-Dienste und dem damit einhergehenden Rückgang der Zuschauerzahlen beim Live-Fernsehen, stellt sich die Frage, wie sich dies auf die politische Informationsverbreitung auswirkt. Streaming-Plattformen sind in erster Linie auf Unterhaltung ausgerichtet und bieten kaum Nachrichteninhalten wie traditionelle Sender. Dies wird dazu führen, dass ein Teil der Bevölkerung weniger bis gar keinen Zugang zu aktuellen Nachrichten und politischen Informationen hat, was wiederum die politische Informiertheit und Meinungsbildung beeinträchtigen wird.

Ein weiteres Problem ist die Fragmentierung der Medienlandschaft. Während das traditionelle Fernsehen einst die Gesellschaft mit kollektiven Nachrichtenerlebnissen versorgte, führt die personalisierte Natur des Streamings zu einer Individualisierung. Dies wird zu sogenannten "Echo-Kammern" oder "Filterblasen" führen, in denen Individuen nur mit Informationen und Meinungen konfrontiert werden, die ihre bestehenden Ansichten bestätigen. Ein solches Umfeld wird die Polarisierung in der Gesellschaft verstärken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den konstruktiven Dialog untergraben.

Zudem stellen sich Herausforderungen hinsichtlich der Regulierung und Transparenz von Streaming-Plattformen. Während traditionelle Rundfunksender strengen Regularien unterliegen, die sicherstellen, dass sie einen Beitrag zum demokratischen Diskurs leisten, sind Streaming-Dienste weitgehend unreguliert in Bezug auf die Verbreitung von politischen Inhalten. Dies wirft Fragen nach der Verantwortlichkeit und den Standards für die Berichterstattung auf digitalen Plattformen auf.

Allerdings bietet das digitale Zeitalter auch neue Möglichkeiten für die Demokratie. Die sozialen Medien und Streaming-Dienste werden eine Rolle bei der Aktivierung und dem Engagement der Bürger spielen, insbesondere der jüngeren Generation, die traditionelle Nachrichtenquellen nicht nutzt. Die Verbreitung von dokumentarischen Inhalten und die Einbindung von politischen Themen in Unterhaltungsformate auf Streaming-Plattformen werden Bewusstsein schaffen und die Diskussion fördern.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sowohl die Anbieter von Streaming-Diensten als auch die politischen Entscheidungsträger die Bedeutung dieser Entwicklung und die Folgen für das Demokratie-Verständnis erkennen und Strategien entwickeln, um sicherzustellen, dass alle Bürger:innen Zugang zu vielfältigen und zuverlässigen Informationen haben.

Die Zukunft der Demokratie in einem Zeitalter, in dem Streaming-Dienste eine immer dominantere Rolle spielen, wird davon abhängen, wie gut wir diese Herausforderungen angehen und wie wir die Vorteile neuer Technologien nutzen können, um ein informiertes und engagiertes Wahlvolk zu fördern.

Zukunftsausblick: Was steht den Sendern und Zuschauern bevor?

Die Landschaft der Medienunterhaltung befindet sich in einem stetigen Strudel des Wandels. Mit Blick auf die Zukunft stellen sich viele Fragen darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Streaming-Diensten und Live-TV entwickeln und was dies für Sender und Zuschauer bedeuten wird. Es gibt mehrere Trends und Technologien, die in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle spielen könnten.

Für die Fernsehsender bedeutet die zunehmende Popularität von Streaming-Diensten, dass sie sich anpassen und innovativ bleiben müssen. Viele Sender erweitern ihr Angebot um eigene Streaming-Plattformen oder Partnerschaften mit bestehenden Diensten, um den Zuschauern weiterhin relevante Inhalte liefern zu können. Dabei könnten sie sich auf die Produktion von Live-Inhalten konzentrieren, die sich nicht einfach streamen lassen, wie Sportveranstaltungen, Nachrichten oder Reality-TV.

Streaming wird zum Standard
Dein Device und du.

Zudem könnten Sender verstärkt auf Second-Screen-Angebote setzen, also Inhalte, die parallel zum Fernsehen auf einem weiteren Gerät wie einem Smartphone oder Tablet genutzt werden können. Diese könnten zusätzliche Informationen oder interaktive Elemente bieten und so das Fernseherlebnis bereichern.

Für Streaming-Dienste hingegen wird es wichtig sein, die Balance zwischen Quantität und Qualität zu halten. Mit wachsender Konkurrenz könnten sie gezwungen sein, noch stärker in Originalinhalte zu investieren, um sich von anderen Anbietern abzuheben. Personalisierung und Empfehlungsalgorithmen werden weiterhin eine wichtige Rolle spielen, um Nutzern zu helfen, in der Flut an verfügbaren Inhalten das zu finden, was sie am meisten interessiert.

In Bezug auf die Zuschauer wird die Personalisierung des Medienkonsums noch weiter voranschreiten. Individuelle Sehgewohnheiten werden durch künstliche Intelligenz noch besser verstanden und bedient, sodass jeder Zuschauer ein maßgeschneidertes Unterhaltungsprogramm erhält. Die Herausforderung hierbei wird sein, die soziale Komponente des Fernsehens – das gemeinsame Erlebnis – aufrechtzuerhalten oder in neue Formate zu überführen.

Die Entwicklung von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) könnte ebenfalls neue Wege für das Streaming und Live-TV eröffnen. Diese Technologien haben das Potenzial, immersivere und interaktivere Erfahrungen zu schaffen, die über das hinausgehen, was auf einem herkömmlichen Bildschirm möglich ist.

Ein weiterer wichtiger Aspekt wird der Datenschutz sein. Mit der zunehmenden Personalisierung und dem Einsatz von Algorithmen wachsen auch die Bedenken bezüglich der Privatsphäre der Nutzer. Sender und Streaming-Dienste werden Wege finden müssen, um das Vertrauen der Zuschauer in Bezug auf den Umgang mit ihren Daten zu gewinnen und zu bewahren.

Letztlich könnte die Zukunft auch eine stärkere Verschmelzung von Live-TV und Streaming-Diensten mit sich bringen, bei der die Grenzen zwischen beiden immer weiter verschwimmen. Die Möglichkeit, live und on-demand Inhalte nahtlos in einer Plattform zu kombinieren, könnte das Beste aus beiden Welten bieten und den Zuschauern eine noch nie dagewesene Flexibilität und Vielfalt bieten.

Für Sender und Zuschauer stehen spannende Zeiten bevor. Die Unterhaltungsindustrie wird sich weiterhin schnell entwickeln, angetrieben von technologischem Fortschritt und veränderten Verbrauchererwartungen. Der Schlüssel zum Erfolg in dieser dynamischen Umgebung wird die Fähigkeit sein, sich anzupassen, innovativ zu bleiben und den Zuschauern einzigartige und wertvolle Erfahrungen zu bieten.

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